The dipterans of two woodland springs in the Rhoen Mountains (Hesse, Germany) and their pheonolgy.

by Andrea Sternberg-Holfeld

 

Key words: diptera, dixidae, dolichopodidae, empididae, lonchopteridae, psychodidae, ptychopteridae, syrphidae, thaumaleidae, tipulidae, trichoceridae, Germany, Hesse, Rhoen, springs, emergence, phenology

 

Abstract

In 1995, the merolimnic insect fauna of two woodland springs in the Kuppenrhoen was studied with emergence traps. Important chemical and physical parameters were measured and twice, macrozoobenthos samples were taken. Besides trichoptera, plecoptera and ephemeroptera (Sternberg-Holfeld 2001) the imagines of the dipteran families anisopodidae, dixidae, dolichopodidae, empididae, lonchopteridae, psychodidae, ptychopteridae, syrphidae, thaumaleidae, tipulidae, trichoceridae and limoniidae and pediciidae (Sternberg 1998) were determined. Of the total number of 40.940 insects the diptera made up for 90,8%.

 

Diagrams

List of species

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Die Dipterenfauna (Insecta, Diptera) zweier Waldquellen in der Kuppenrhön (Hessen) und ihre Phänologie.

von Andrea Sternberg-Holfeld

Ulomyia fuliginosa
Ulomyia fuliginosa

 

Schlagwörter: Diptera, Dixidae, Dolichopodidae, Empididae, Lonchopteridae, Psychodidae, Ptychopteridae, Syrphidae, Thaumaleidae, Tipulidae, Trichoceridae, Deutschland, Hessen, Rhön, Quellen, Emergenz, Phänologie

 

 

ABSTRACT

Von Mitte April bis Ende Dezember 1995 wurden zwei naturnahe Waldquellen in der Kuppenrhön untersucht. Der Schwerpunkt der Untersuchung lag auf der Erfassung der Emergenz der merolimnischen Insekten. Desweiteren wurden Messungen wichtiger chemischer und physikalischer Parameter und Benthosbeprobungen durchgeführt. Neben Trichoptera, Plecoptera und Ephemeroptera wurden die Imagines der Dipterenfamilien Anisopodidae, Dixidae, Dolichopodidae, Empididae, Lonchopteridae, Psychodidae, Ptychopteridae, Syrphidae, Thaumaleidae, Tipulidae, Trichoceridae und Limoniidae und Pediciidae (Sternberg 1998) bestimmt. Von den insgesamt 40.940 erbeuteten Insekten entfielen 90,8 % auf die Diptera.

 

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Emergenzfalle an Quelle H
Emergenzfalle an Quelle H

1 Untersuchungsgebiet, Material und Methoden, Abiotik

 

Bei der Quelle am Morsberg (Quelle M, 380m üNN) handelt es sich um eine perennierende, hauptsächlich durch Erlen und Eschen beschattete Helo-Rheokrene aus dem Basalt. Die Quelle am Hirschberg (Quelle H, 420m üNN) ist eine überwiegend von Buchen umgebene, ganzjährig durch Fallaubpackungen geprägte perennierende Rheokrene. Auch ihr Wasser entstammt dem Basalt.

Die Emergenzfallen mit einer Grundfläche von 3 m² wurden am 13.04.1995 aufgestellt und bis Ende Dezember 1995 in etwa einwöchigen Intervallen geleert. Als Fangflüssigkeit diente 70%iger Spiritus. Die erbeuteten Insektenimagines wurden unter einer Stereolupe (Wild M3) unter Kaltlichtbeleuchtung bei bis zu 60facher Vergrößerung sortiert, bestimmt, ausgezählt und in 70%igem Ethanol mit 1 % Glyzerin konserviert. Die Imagines der Dipterenfamilien Dixidae, Dolichopodidae, Empididae, Psychodidae, Ptychopteridae und Thaumaleidae wurden nach Vergleichsmaterial (Prof. Dr. R. Wagner) bestimmt, die Anisopodidae und Trichoceridae nach Freeman (1950) und die Lonchopteridae nach Bährmann & Bellstedt (1988). Die Syrphidae wurden freundlicherweise von Herrn Löhr, die Tipulidae von Herrn Noll bestimmt. Nur gezählt wurden Chironomidae, Ceratopogonidae und Simuliidae.

Eine ausführliche Beschreibung des Untersuchungsgebietes, der beiden Quellen sowie von Material und Methoden und die Ergebnisse der Untersuchung der abiotischen Parameter finden sich bei Sternberg-Holfeld (2001).


 

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Tipula fulvipennis
Tipula fulvipennis

 

2 Die Dipteren-Emergenz


Insgesamt wurden während der Fangperiode 40.823 Insektenimagines aus 4 Ordnungen erbeutet. Dominierend waren die Diptera mit 90,8 %. Sie verteilten sich auf 16 Familien, die alle an beiden untersuchten Quellen auftraten. Die Unterordnung Nematocera dominierte mit 96,0 % bei weitem über die Brachycera (4,0 %). Die meisten Dipteren-Arten traten im Juni auf (Abb. 1). Unterschied zwischen Quellen?

 

2.1 Chironomidae, Ceratopogonidae, Simuliidae


Die Chironomidae stellten mit insgesamt 24.273 (65,3 %) Imagines den Hauptteil der Dipteren-Emergenz, wobei sie an Quelle M (14.918 Imagines) wesentlich häufiger waren als an Quelle H (9355 Imagines). Zuckmücken wurden von Mitte April bis Anfang Dezember erbeutet (Abb. 2)

Die winzigen, blutsaugenden Ceratopogoniden stellten mit 758 Individuen 5,9 % der Dipteren-Emergenz (excl. Chironomidae). Sie waren an Quelle M mit 574 Imagines mehr als dreimal so häufig wie an Quelle H (184 Imagines) und traten von Ende April bis Anfang November in der Emergenz auf (Abb. 3).

Aus der Familie der Simuliidae konnten lediglich 61 Exemplare gefangen werden, 38 an Quelle M, 23 an Quelle H. Während an Quelle H Kriebelmücken nur von Mitte April bis Anfang August in der Emergenz vertreten waren, tauchten sie an Quelle M in einer zweiten Kohorte ab Mitte September wieder auf. Noch Anfang Dezember schlüfpte dort eine letzte Kriebelmücke (Abb. 4). Bei den Fängen im Herbst könnte es sich um eine zweite Generation oder aber um eine ausgesprochene Herbstart handeln.

 

2.2 Dixidae


Ca. 50 Arten der Familie der Tastermücken sind in Europa bekannt (Wagner 1997a). Als aquatisch sind die Larven einzustufen, die sich zwar außerhalb des Wassers auf Steinen, Totholz, Wasserpflanzen oder Fallaub aufhalten, aber ihre Nahrung ausschließlich aus dem Gewässer beziehen. Sie sind Filtrierer und ernähren sich von Detrituspartikeln und Algen. Nach Thienemann (1910) zählen die Larven der GattungDixa zu den "euhygropetrischen" Formen, d.h. sie sind charakteristisch für die Zoozönose der nur dünn, aber stetig von klarem Wasser überrieselten, vegetationsarmen und hell belichteten Felsen. Andere Standorte werden nur selten besiedelt, und nur dann, wenn sie gewisse Verwandtschaft mit euhygropetrischen Lebensräumen aufweisen. Zur Verpuppung schieben sich die Larven auf dem Substrat etwas weiter vom Gewässer weg und können dadurch oft sogar auf trockenen Flächen zu liegen kommen (Wagner 1978). Larvalentwicklung und Puppenruhe sind relativ kurz, die Larvalentwicklung dauert ca. drei Wochen, die Pupalphase nur wenige Tage. Die Dixidae überwintern als Larven in allen vier Stadien. Die Populationen sind stark desynchronisiert. Von Frühling bis Spätherbst sind alle Entwicklungsstadien nebeneinander zu finden. Die den Stechmücken ähnelnden Imagines sind schlechte Flieger und nehmen keine Nahrung auf (Wagner 1997a).

504 Imagines der Gattung Dixa konnten gefangen werden, 118 an Quelle M, 386 an Quelle H. Alle, bis auf ein Einzelexemplar von Dixa nebulosa (Quelle H), gehörten der Art Dixa submaculata an. An Quelle H stellten die Dixidae 6,3 %, an Quelle M nur 1,7 % der Dipteren-Emergenz (exclusive Chironomidae). Der Schlupfverlauf von Dixa submaculata zeigt das typische Muster einer polyvoltinen Art mit desynchronisierter Entwicklung (Abb. 5). An Quelle H ist wegen der hohen Abundanzen das Auf und Ab in der Populationsentwicklung besonders gut zu erkennen. Die Zahl der Hochpunkte läßt auf fünf Generationen pro Jahr schließen.

Bei den Untersuchungen von Kohlmann (1993) an sechs Quellen in der Kuppenrhön (Einzugsgebiet der Fulda) kam D. submaculata in der Emergenz von 5 der untersuchten Quellen vor, an einer zusammen mit D. nebulosa. Gathmann (1994) fand D. submaculata an allen drei Fallenstandorten an Quellen in der Hohen Rhön., sie wurde zahlenmäßig jedoch von D. maculata übertroffen. D. submaculata ist demnach mit hoher Stetigkeit in Quellbiotopen der Region anzutreffen. Fischer (1996) stuft sowohl D. submaculata als auch D. maculata als krenophil, D. nebulosa als krenophil-rhithrobiont ein.

 

2.3 Dolichopodidae


Die Dolichopodidae zeichnen sich durch auffallend lange Beine, die meisten Arten durch metallischen Glanz und einen stark vergrößerten Genitalapparat bei den Männchen aus. Die Larven vieler Arten leben terrestrisch, andere jedoch sind als terrestrisch-hygrophil einzustufen (Fischer & Schnabel 1995). Sie sind mehr oder weniger an Gewässer gebunden und nicht selten, auch in hohen Individuenzahlen, bei Untersuchungen an Bächen und Quellen in der Emergenz vertreten (z.B. Caspers & Wagner 1982; Bailly 1995; Fischer, Schnabel & Wagner 1995). Besonders innerhalb der Dolichopodinae scheint es Arten mit aquatischer bzw. semiaquatischer Larvalentwicklung zu geben. Sowohl Larven als auch Imagines der meisten Dolichopodiden-Arten sind carnivor. Die Imagines sind überwiegend in Juni und Juli anzutreffen, wenige Arten schlüpfen im Spätsommer.

Die Familie der Langbeinfliegen war mit 866 Individuen, die sich auf 15 Arten verteilten, in der Emergenz vertreten. Sie stellte 6,7 % der Dipteren-Imagines (exclusive Chironomidae). 85 % entfielen dabei auf Hypophyllus obscurellus (Quelle M 74%; Quelle H 97 %). Die Unterfamilie Dolichopodinae war mit 6 Spezies und 800 Exemplaren die arten- und individuenreichste. Vier Arten entfielen auf die Unterfamilie Raphiinae, jedoch kamen sie zusammen nur auf 4,6 % der Dolichopodiden-Emergenz. Die Diaphorinae waren mit 2 Arten, aber lediglich 22 Individuen (2,5 %) in der Emergenz vertreten. Neurigoninae und Medeterinae konnten nur in einem bzw. zwei, nicht bis zur Art bestimmbaren Exemplaren erbeutet werden. Erste Vertreter der Langbeinfliegen wurden Mitte Mai erbeutet, die letzten Mitte September. Sämtliche Dolichopodiden-Arten zeigten eine stark synchronisierte Entwicklung. Besonders deutlich wird dies anH. obscurellus (Abb. 6). Die Larven von H. obscurellus sind mehr oder weniger aquatisch. Sie besiedeln häufig kleinere Gewässer mit sumpfigen Stellen und ruhigen Ausständen (Caspers & Wagner 1982). Die vier Arten der Gattung Dolichopus, von denen eine nicht bis zur Art bestimmt werden konnte, schlüpften ebenfalls innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne, die meisten etwas früher als H. obscurellus (Abb. 7). Die Larven der Gattung scheinen bevorzugt feuchtes Ufersubstrat an ruhigen Bachabschnitten und Quellbereiche zu besiedeln. Sie konnten aber auch in Sümpfen, Seen und Flüssen nachgewiesen werden (Caspers & Wagner 1982). Bei einer Untersuchung in Flandern (Pollet, Grootaert & Meuffels 1989) wurdenD. popularis und D. discifer nur in Waldhabitaten, D. ungulatus dagegen sowohl im Wald als auch in offenen Habitaten angetroffen. Letztere Art scheint eurytop zu sein. Der für Bäche der Mittelgebirge typischeHercostomus brevicornis kam an beiden Quellen nur in wenigen Exemplaren vor, die alle Mitte Juli in der Emergenz auftraten. Während er bei Untersuchungen an Mittelgebirgsbächen in Hessen und Thüringen zu den dominanten Arten seiner Familie gehörte (Bellstedt & Wagner 1992, Bailly 1995) und eine deutliche Präferenz für schattige Waldhabitate zeigte, kam er an den Ohequellen (Fischer, Schnabel & Wagner 1995) und bei Gathmann (1995) nicht in der Emergenz vor, bei Kohlmann nur in zwei Exemplaren. Quellen scheinen, im Gegensatz zu kleinen Bächen, keine optimalen Lebensbedingungen für diese Spezies zu bieten.

Die insgesamt 40 Exemplare der Gattung Rhaphium schlüpften zeitlich abgesetzt von den Dolichopodinae zwischen Mitte Mai und Mitte Juni (Abb. 7), hauptsächlich an Quelle M. Für die Larven vieler Arten dieser Unterfamilie ist eine mehr oder minder aquatische Entwicklung wahrscheinlich, bevorzugt in Uferbereichen und an schlammigen Stellen an Quellen, Bächen und Flüssen (Caspers & Wagner 1982).

Die Diaphorinae traten mit zwei Arten der Gattung Argyra in der Emergenz auf. Ende Mai und Anfang Juni wurde an Quelle M Argyra diaphana, von Mitte Juli bis Ende August eine weitere, nicht bis zur Art bestimmbare Argyra-Art gefangen. An Quelle H konnten Anfang August zwei nicht weiter determinierbare Argyra-Weibchen erbeutet werden. Die Larvalhabitate der zu dieser Unterfamilie gehörenden Arten sind noch weitgehend unbekannt. Einige Arten scheinen eine mehr oder weniger enge Bindung an aquatische Biotope zu besitzen.

Die Neurigoninae, die mit einem Exemplar an Quelle M vertreten waren, zählen zu den Langbeinfliegen mit terrestrischer Larvalentwicklung. Sie sind nicht metallisch glänzend, sondern meist gelblich gefärbt und besitzen ausschließlich holzbewohnende Larven, die sich u.a. von darin minierenden Käferlarven ernähren (Caspers & Wagner 1982). Betrachtet man den oft nicht unerheblichen Anteil von Totholz im Gewässer, so ist verständlich, daß auchNeurigona-Arten, teilweise in nicht geringen Abundanzen, bei Emergenzuntersuchungen auftreten können.

Die Medeterinae gehören wahrscheinlich ebenfalls nicht zu den aquatischen Dolichopodiden. An Quelle M traten zwei Vertreter dieser Unterfamilie auf.

 

2.4 Empididae


Innerhalb der Familie der Tanzfliegen besitzen vermutlich nur die beiden Unterfamilien Hemerodromiinae und Clinocerinae aquatische Larven und Puppen (Wagner 1997b). Die Larven beider Unterfamilien ernähren sich carnivor, vorwiegend von Chironomidenlarven. Die Imagines der Hemerodromiinae sitzen als "Lauerräuber" in der Vegetation und greifen ihre Beute mit speziellen Fangbeinen, die an die einer Gottesanbeterin erinnern. Den Clinocerinae fehlen Raubbeine. Sie fliegen dicht über der Wasseroberfläche und fangen ihre Beute im Flug.

Insgesamt wurden 504 Tanzfliegen gefangen, an Quelle M 343, an Quelle H nur 161 Exemplare. Exclusive Chironomidae stellten sie 3,9 % der Dipteren-Emergenz. Empididen traten durchgängig von Mitte April bis Ende November in der Emergenz auf. 92 % der Empididen gehörte zur GattungChelifera, die mit 4 Arten vertreten war (Abb. 8). Drei davon kamen an beiden Quellen vor. An Quelle M dominierte C. subangusta, an Quelle H C. trapezina. Letztere wird in Fischer, Schnabel & Wagner (1995) als univoltine Hochsommerart bezeichnet, die Limnofauna Europaea (Vaillant 1978) stuft sie als Art des Krenons ein. Ausschließlich an Quelle H tratC. astigma in wenigen Exemplaren Ende Mai bis Anfang Juni auf. Die Larven der Chelifera-Arten sind nach Wagner (1983) in Bachschotter und hygropetrischen Moosen anzutreffen, häufig auch in Ansammlungen von Simuliiden-Larven.

Die Unterfamilie Clinocerinae war mit zwei an beiden Quellen nachgewiesenen Arten vertreten. An Quelle M war Dolichocephala engeli, an Quelle H Clinocera wesmaeli die häufigere (Abb. 9). Joost (1982) bezeichnet C. wesmaeli als Herbst- bzw. Winterart. Die hier ermittelten Schlupfzeiten zwischen Anfang August und Ende November bestätigen diese Beobachtung. Nach Fischer, Schnabel & Wagner (1995) besitzt sie einen deutlichen Verbreitungsschwerpunkt im Krenal.

 

2.5 Lonchopteridae


Im Untersuchungsgebiet kommt nur die Gattung Lonchoptera vor. Die meisten Arten finden ihren Verbreitungsschwerpunkt in nicht zu trockenen bis feuchten Rasenbiotopen oder in Wäldern, wo sie sich als nur träge Flieger hauptsächlich innerhalb der Bodenvegetation bewegen (Bährmann & Bellstedt 1988). Die Larven der Lonchopteriden leben saprophag (Hennig 1952). Fischer & Schnabel (1995) zählen sie zur terrestrisch-hygrophilen Fauna.

An der Dipteren-Emergenz hatten die Lonchopteriden nur einen sehr geringen Anteil (0,7 % exclusive Chironomidae). Imagines aus drei Arten konnten zwischen Ende April und Ende September erbeutet werden. Der Schlupfschwerpunkt lag auf Juli und August (Abb. 10). An Quelle M stellte die häufige Lonchoptera lutea 83 % der Lonchopteriden-Emergenz, an Quelle H schlüpfte lediglich ein Einzelexemplar dieser Art. Verbreitungsschwerpunkt sind offene Rasenbiotope. Sie ist aber auch häufig an offenen Stellen innerhalb von Wäldern zu finden, so z.B. in der Ufervegetation an Waldbächen oder an Waldwegen (Bährmann & Bellstedt 1988).L. tristis , eine häufige Art der feuchten Laubwälder und größte heimische Lonchopteride, dominierte an Quelle H (90 %), an Quelle M dagegen trat sie nur in wenigen Exemplaren auf. An den Ohequellen (Fischer, Schnabel & Wagner 1995) stellteL. tristis 99,9 % der Lonchopteriden-Emergenz. Das Schlupfmaximum lag, wie auch hier, im August. Die kleine L. fallax stellt vermutlich ähnliche Ansprüche an ihr Habitat wie L. tristis , zählt aber zu den weniger häufigen Lonchopteriden (Bährmann & Bellstedt 1988). Sie trat an beiden Quellen in nur wenigen Exemplaren auf.

An den Ohequellen (Fischer, Schnabel & Wagner 1995) entfiel auf die Lonchopteridae ein wesentlich höherer Anteil der Dipteren-Emergenz (27 % exclusive Chironomidae). Es traten dort dieselben drei Arten auf.

 

2.6 Psychodidae


Zwei der sechs Unterfamilien der Schmetterlingsmücken sind regelmäßig in Gewässern anzutreffen. Diese beiden sind sowohl von der Morphologie als auch der Ökologie her sehr unterschiedlich. Die Vertreter der weitaus artenreicheren Unterfamilie Psychodinae besitzen die für Schmetterlingsmücken typischen zugespitzten Flügel. Ihre Larven sind spindelförmig. Zur wahrscheinlich primitiven Unterfamilie Sycoracinae zählen einige wenige Arten mit abgerundeten Flügeln und asselförmigen Larven. Während die adulten Psychodinae keine Nahrung aufnehmen, besitzen die weiblichen Imagines der Sycoracinae Mundwerkzeuge, mit denen sie Blut von Amphibien und Reptilien saugen (Wagner 1997c). Die Larven der Schmetterlingsmücken werden zur "Fauna liminaria" sensu Feuerborn (1923) gerechnet. Die Psychodinae können in zwei ökologische Gruppen eingeteilt werden. Die Larven der meisten Pericomini leben an unbelasteten Fließgewässern, auch an Quellen, entweder in hygropetrischen Bereichen oder aber in feuchtem, sich aerob zersetzendem organischen Material. Meist bringen sie nur eine Generation pro Jahr hervor. Die Psychodini sind polyvoltin, ihre Larven entwickeln sich unter eutrophen Bedingungen, u.a. in Kuhdung, Komposthaufen, Kadavern, an Kläranlagen und in sumpfigen Bereichen an Gewässern. In Emergenzuntersuchungen an unbelasteten Fließgewässern sind sie in der Regel nur in geringer Zahl vertreten.

Mit insgesamt 5396 Individuen stellten die Schmetterlingsmücken über 41,8 % der Dipteren-Emergenz (exclusive Chironomidae). Nach den Chironomiden waren sie die individuenreichste Dipterenfamilie. Es konnten 22 Arten aus den Unterfamilien Psychodinae (10 Pericomini, 8 Psychodini, 3 Telmatoscopini) und Sycoracinae (1) nachgewiesen werden. Die Entwicklung der Artenzahl in den Untersuchungsmonaten ist in Abb. dargestellt. Psychodiden waren von Mitte April bis Mitte November in der Emergenz vertreten. Der Emergenzverlauf war an beiden Quellen sehr ähnliche. Die Pericomini waren an beiden Quellen die häufigsten Schmetterlingsmücken (Quelle M: 77 %; Quelle H: 95 %), gefolgt von den Psychodini (Quelle M: 23 %; Quelle H: 5 %). Telmatoscopini und Sycoracinae traten nur sporadisch auf.

Eudominante Art an beiden Quellen war Ulomyia fuliginosa (Quelle M 59 %, Quelle H 77 %). Sie trat von Mitte April bis Anfang November kontinuierlich in der Emergenz auf, die maximalen Schlupfzahlen wurden an beiden Quellen Mitte Juli erreicht (Abb. 11). Handelt es sich um nur eine Generation pro Jahr, so ist die Population stark desynchronisiert. Im Gegensatz dazu brachte die häufig mit U. fuliginosa vergesellschaftete U. undulata ihre gesamte Population stark synchronisiert zwischen Mitte Mai bis Mitte Juni zum Schlupf, das Maximum lag Ende Mai (Abb. 11). Nach Vaillant (1971) finden sich die Larven von U. fuliginosa in einer Vielzahl lotischer Habitate, in saprophytischen ebenso wie in madicolen. Besonders zahlreich sind sie unter Fallaub am Rand von Rheokrenen und schnell fließenden, unbelasteten Bächen mit nicht zu unbeständigem Lauf. U. fuliginosa zählt zu den häufigsten Vertretern der Pericomini in Europa, kommt aber als oroxene Art besonders in der Ebene und am Fuß der Berge vor (Vaillant 1971). Caspers und Wagner (1980) stufen sie als extrem rheophob ein. Ebenfalls häufig vergesellschaftet ist die an Quelle H nachgewieseneU. cognate, eine Art des Krenons (Vaillant 1978).

Eine Saraiella- (S. auberti) und drei Satchelliella-Arten (S. palustris, S. pilularia, S. trivialis), die sich z.T. im weiblichen Geschlecht nicht sicher unterscheiden lassen, traten an Quelle H auf. Sie stellten dort 13 % der Psychodiden-Emergenz. An Quelle M konnten nurS. palustris und S. trivialis nachgewiesen werden (8 %). Aufgrund ihrer hellen Behaarung ließen sich die Weibchen von S. palustris zuordnen. Der Schlupfschwerpunkt dieser Art der hygropetrischen Zone von Quellen (Vaillant 1978) lag im Mai (Abb. 12). Ebenfalls zur Fauna hygropetrica des Krenons wird S. pilularia gerechnet. Häufig sind die Larven dieser Art unter den vegetabilen Überresten am Ufer von Rheokrenen sowie in zahlreichen madicolen Habitaten zu finden. Vaillant (1971) hält sie für univoltin mit Hauptflugzeit im April. An Quelle H jedoch wurden 10 Männchen ausschließlich im Herbst gefangen. Möglicherweise ist sie hier bivoltin, wobei die Frühjahrsgeneration nur in nicht bestimmbaren Weibchen vertreten gewesen sein könnte. Mit Sicherheit polyvoltin istS. trivialis (9 Generationen/Jahr, Zuchtversuche Vaillant 1971). Sie besitzt die am stärksten euryöken Larven unter den Pericomini und kommt häufig im Uferschlamm organisch verschmutzter Gewässer vor, aber auch im Schlamm von Teichen, in Torf, in Schlamm und Fallaub an Helokrenen und in abgestorbenem Pflanzenmaterial an den Ufern von Rheokrenen und Flüssen. Auch in madicolen Habitaten sind die Larven in geringeren Zahlen anzutreffen. Der Schlupfverlauf deutet auf vier Generationen hin, jeweils in Mai, Juni, Juli und August, eventuell eine fünfte im Herbst (Abb. 12). Die orobiont-orophilen Arten der Gattung Saraiella sind hauptsächlich im Hochgebirge anzutreffen, z.B. in den Alpen. S. auberti (Abb. 12) ist die einzige Art der Mittelgebirge. Häufig sind ihre Larven in madicolen Habitaten zu finden, aber auch im Schlamm am Fuß feuchter Wände oder am Rand von kleinen Rheokrenen (VAILLANT, 1971).

Die in Quellen, Au- und Bruchwäldern lebende Tonnoiriella pulchra trat an beiden Quellen auf. Eine erste Kohorte schlüpfte zwischen Ende April und Ende Mai, eine zweite zwischen Mitte Juli und Anfang Oktober. Vermutlich handelt es sich um zwei Generationen, wobei die Herbstgeneration stärker ausgeprägt war (Abb. 13). Ähnliche Habitate (Quellen, Erlensümpfe, Bruchwälder) besiedelt Clytocerus ocellaris, der jedoch nur an Quelle M nachgewiesen werden konnte. Auch er zeigte zwei getrennte Schlupfkohorten (Abb. 13). Als Einzelfang trat Pericoma blandula an Quelle M auf. Sie ist die am weitesten verbreitete Art ihrer Gattung und besiedelt eine Vielzahl von Habitaten, z.B. Moose und Fallaub an Ufern von Quellen und Flüssen oder Sand und Schlamm an den Rändern von großen und kleinen Wasserläufen.

Die drei Arten der Telmatoscopini stellten lediglich 0,1 % der Schmetterlingsmücken, obwohl die Telmatoscopini kennzeichnend für Waldbäche mit hohem allochthonem Fallaubeintrag sind (Caspers & Wagner 1980). Bei den Quelluntersuchungen von Gathmann (1994) und Fischer, Schnabel & Wagner (1995) traten ebenfalls sehr wenige bzw. keine Telmatoscopini in der Emergenz auf. Waldquellen scheinen demnach nicht zu den bevorzugten Lebensräumen zu gehören.

Das Artenspekturm an Psychoda-Arten (Psychodini) war an beiden Quellen fast identisch, 7 der 8 Arten kamen an beiden Quellen vor, jedoch traten sie an Quelle M in wesentlich höheren Individuenzahlen auf (M: 578; H: 145). Mitte April schlüpften als ersteP. grisescens (Abb. 14) und P. trinodulosa, gefolgt von P. cinerea (Abb. 15) und P. parthenogenetica (Abb. 15) Ende April. Anfang Mai kamen P. gemina (Abb. 14) und P. phalaenoides hinzu. Ende Mai trat P. minuta, Ende Juni P. albipennis erstmals auf. Mitte November war P. cinerea die letzte in der Emergenz. Besonders die Schlupfverläufe der häufigen P. cinerea und P. gemina zeigen das typische Bild polyvoltiner Arten. Für P. cinerea sind 4, für P. gemina 3 Schlupfkohorten zu erkennen. Außer P. grisescens erreichten alle häufigeren Arten Mitte Juni ihre höchsten Schlupfraten. Häufigste Art an Quelle M war P. cinerea, gefolgt von P. gemina. Erstere zählt nach Satchell (1947) zu den Psychoda-Arten, die die Tropfkörper von Kläranlagen besiedeln. Außerdem gehören Schlammflächen zu ihren bevorzugten Habitaten. P. gemina schlüpfte bei den Untersuchungen von Satchell (1947) aus Schlammproben und Fallaub aus einem Graben. In Kuhdung oder in Kläranlagen ist sie normalerweise nicht anzutreffen. An Quelle H kamP. parthenogenetica auf die höchsten Schlupfzahlen. Sie ernährt sich von fast jeglicher Art von feuchtem, sich zersetztendem Pflanzenmaterial und kommt auch an Kläranlagen und in Schlammflächen häufig vor (Satchell 1947). In Kuhdung auf Weiden tetenP. grisescens, P. phalaenoides und P. trinodulosa auf. P. phalaenoides soll den kürzesten Lebenszyklus der Psychoda-Arten haben, bei 20°C nur 8 Tage, der von P. grisescens dauert bei 20°C ca. 12 Tage (Satchell 1947). Nach Lindroth (1931) ist P. phalaenoides ausgeprägt synanthrop, d.h. sie kommt fast ausschließlich in unmittelbarer Nähe von menschlichen Siedlungen vor, besonders in hoher Unkrautvegetation. Die Larven von P. albipennis leben vorwiegend in sich zersetztendem organischen Material. Imagines sind am häufigsten im Oktober anzutreffen, wenn viel totes Pflanzenmaterial anfällt, die Lufttemperaturen aber noch nicht zu niedrig sind (Satchell 1947).

Die Larven der Sycorax-Arten (Sycoracinae) bevorzugen nach Caspers & Wagner (1980) kalkreiches Wasser und besiedeln bevorzugt überrieselte Standorte in Quellnähe. An Quelle H konnten 7 Imagines (Sycorax similis), an Quelle M lediglich ein Einzelexemplar (Sycorax spp.), alle zwischen Ende Mai und Mitte Juni, gefangen werden. Vermutlich sind die Kalkgehalte beider Quellen zu niedrig für eine optimale Entwicklung.

 

2.7 Ptychopteridae

 

Bei den Faltenmücken handelt es sich um eine artenarme, gut abgegrenzte Familie mit aquatischer Larvalentwicklung. In Europa sind 13 Arten bekannt (Joost 1990). Die Larven besitzen eine retractile Atemröhre am Ende des Abdomens, mit deren Hilfe sie sich mit atmosphärischem Sauerstoff versorgen. Sie leben bevorzugt an Orten mit hohem Eintrag an allochthonem organischen Material, so z.B. in der Uferzone von Waldseen oder in ruhigen Flachwasserzonen von baumgesäumten Bächen. Die Verpuppung findet im Uferschlamm statt. FürP. paludosa Meig. und P. lacustris Meig. stellte Hansen für Dänemark nur eine Generation pro Jahr fest. Dagegen soll die Gattung Ptychoptera in Großbritannien bivoltin sein (Freeman 1950) .

Lediglich 10 Vertreter der Ptychopteridae traten in der Emergenz auf. Sie gehörten alle zur häufigen und weit verbreiteten Art Ptychoptera albimana. Bis auf ein Exemplar Mitte Mai wurden alle im Spätsommer (Ende Juli bis Mitte September) erbeutet.

 

2.8 Syrphidae

 

In Mitteleuropa finden sich mehr als 300 zumeist mittelgroße und große Schwebfliegenarten, von denen viele durch schwarz-gelbe oder schwarz-weiße Kontrastfärbung auffallen. Die Imagines gehören zu den wichtigsten Blütenbestäubern. Die Larven vieler Arten vertilgen große Mengen an Blattläusen (aphidophag) und werden daher in der biologischen Schädlingsbekämpfung eingesetzt. Andere, saprophage Arten, verbringen ihre Larvalphase als sog. "Rattenschwanzlarve" in stehenden und langsam fließenden Gewässern mit schlammigem Untergrund, in Abortgruben, Baumhöhlen oder in faulenden Pflanzenstoffen. Ihr langes Atemrohr dient als "Schnorchel" zur Aufnahme von Luftsauerstoff. Viele Syrphidenarten sind polyvoltin mit drei bis vier Generationen pro Jahr, andere bringen nur eine Generation zum Schlupf.

Die Schwebfliegen stellten nur einen sehr geringen Anteil an der Dipteren-Emergenz (0,3 % exclusive Chironomidae). Jedoch konnten immerhin 8 Arten aus 5 Gattungen erbeutet werden. Häufigste war die nur an Quelle M nachgewiesene Sphegina elegans, gefolgt von S. clunipes. Die anderen Arten traten nur sporadisch auf. Schwebfliegen schlüpften zwischen Ende Mai und Mitte September, die höchste Artenzahl wurde im Juli erreicht.

Die Arten der Unterfamilie Syrphinae (u.a. Melanostoma) besitzen aphidophage Larven. Sie können sich allerdings auch fakultativ phytophag ernähren (Bastian 1994). Die Larven aller anderen hier nachgewiesenen Unterfamilien sind saprophag. Von in Zersetzung befindlichem Holz ernähren sich die Larven der Milesiinae (u.a.Xylota, deutscher Name "Sägefliege"). Die Larvalentwicklung findet in feuchten, detritushaltigen Höhlen von Laub- und Nadelbäumen statt (Bastian 1994). Larvalhabitate der Unterfamilie Sericomyiinae (u.a.Sericomyia) sind morastige Böden mit hohem Humusgehalt, wie sie in frischen Laubwäldern, an Gewässerrändern und Mooren zu finden sind. Die Larven von Sericomyia silentis (Harris), der "Großen Torfschwebfliege", leben aquatisch oder semiaquatisch und ernähren sich micro- und/oder saprophag. Auch die Sphegininae (u.a. Sphegina ) besitzen eine "Rattenschwanzlarve". Für ihre Larven wird eine xylophage Ernährung vermutet (Röder 1992). In stehendem Wasser, hauptsächlich in Sumpfwiesen, und in nur periodisch fließenden Gewässern sind die Vertreter der Cheilosiinae zu finden. Die Larven der hierzu gehörenden "Kerbfliege" Chrysogaster bohren Stengel von Gräsern und Wasserpflanzen an und decken so ihren Bedarf an Sauerstoff aus den Zellzwischenräumen der Pflanzen (Bastian 1994).

 

2.9 Thaumaleidae


Etwa 80 Arten sind in der West-Palearktischen Region bekannt, die meisten aus Zentraleuropa (Wagner 1997). Insbesondere die Alpen weisen mit über 40 eine große Zahl an Thaumaleiden-Arten auf, von denen nicht wenige Endemiten sind. Die Larven der Thaumaleidae wurden erst 1910 durch Thienemann beschrieben. Lange war die systematische Einordnung innerhalb der Diptera strittig, bis die Dunkelmücken von Rondani in den Rang einer eigenen Familie erhoben wurden. Die Thaumaleiden zählen zur "Fauna hygropetrica", d.h. ihre Larven entwickeln sich in Bereichen von Fließgewässern, die von einem nur wenige mm dicken Wasserhäutchen überrieselt werden. Mit ihren Stigmen ragen die Larven als Luftatmer über das Wasserhäutchen hinaus. Bevorzugtes Substrat sind glatte Felsen und Steine, die zumindest während längerer Perioden von sauberem Wasser überflossen werden. Nach Wagner (1997d) ernähren sich die Thaumaleiden-Larven vom auf den nassen Steinen wachsenden Biofilm. Im Gegensatz zu anderen hygropetrisch lebenden Larven sind die unbehaarten, wurmförmigen Thaumaleidenlarven zu schnellen Bewegungen fähig. Dadurch können sie einem Überspülen der dorsal gelegenen Atemöffnungen ausweichen (Fischer 1993). Gänzlich untergetaucht überleben die Thaumaleiden-Larven nur kurze Zeit. Die Imagines sind schlechte Flieger.

Es konnten insgesamt 444 Thaumaleiden aus zwei Arten erbeutet werden. Die Dunkelmücken machten 3,4 % der Dipteren-Emergenz (exclusive Chironomidae) aus. Dabei konnten an Quelle H fast dreimal so viele Individuen gefangen werden wie an Quelle M. SowohlThaumalea cebennica als auch Thaumalea testacea kamen an beiden untersuchten Quellen vor. Während an Quelle M T. cebennica dominierte, war an Quelle H T. testacea die häufigere Art. Im Gegensatz zu der weit verbreiteten und häufigen T. testacea ist T. cebennica in Deutschland bisher nur aus dem Gladenbacher Bergland bei Marburg und aus Nordhessen bekannt (Fischer, Schnabel & Wagner 1995). Sie wurde erst 1977 anhand von Material aus Südfrankreich von Vaillant beschrieben.

Auffallend sind die Unterschiede in der Phänologie der beiden Arten. Die Populationen von T. cebennica kamen an beiden Quellen synchronisiert zum Schlupf, die von T. testacea hingegen stark desynchronisiert (Abb. 16). Letztere schlüpfte während des gesamten Untersuchungszeitraums von Mitte April bis Anfang Dezember. Maximale Schlupfzahlen erreichte sie Ende Juli. Die nur von Ende Mai bis Mitte August in der Emergenz vertreteneT. cebennica hatte zu diesem Zeitpunkt ihre Entwicklung schon fast völlig abgeschlossen, ihr Schlupfmaximum lag Anfang Juli. Der Schlupfverlauf ist für beide Quellen sehr ähnlich mit einem Schlupfzeitraum von neun bzw. zehn Wochen. Fast identische Ergebnisse zur Phänologie der beiden Arten zeigten die Untersuchungen an den Ohequellen (Fischer, Schnabel & Wagner 1995). Auch hier waren die Populationen vonT. testacea desynchronisiert (Schlupf von April bis Oktober, Maximum Mitte Juli), die von T. cebennica stark synchronisiert (Schlupf von Mitte Mai bis Anfang Juli, Maximum Mitte Juni). Während T. testacea bevorzugt in den Fallen des direkten Quellbezirks auftrat (82,5 % der gefangenen Imagines), zeigte T. cebennica keine deutliche Präferenz des Eukrenals.

 

2.10 Tipulidae

 

Die Tipulidae waren von geringer Bedeutung innerhalb der Diptera (0,2 % der Imagines exclusive Chironomidae). Zwei der sieben Arten konnten nicht bestimmt werden, da nur jeweils ein weibliches Exemplar vorlag. An beiden Quellen gemeinsam kam nurT. fulvipennis vor. Der Schwerpunkt des Schlupfgeschehens der Tipulidae lag im Juni.

Auch andere Untersuchungen an Waldquellen zeigen ein nur sporadisches Auftreten der Tipulidae (Gathmann 1994, Fischer, Schnabel & Wagner 1995). Quellen scheinen nicht zu den bevorzugten Lebensräumen zu gehören. In der Emergenz des Annaberger Baches (Caspers 1980) waren die Abundanzen der Tipulidae im ersten Untersuchungsjahr relativ hoch, im zweiten Jahr dagegen fielen sie fast völlig aus, wahrscheinlich aufgrund des "Leerfangeffekts", der bei Emergenzfängen typisch für Arten mit nicht aquatischer Lebensweise ist.

Die größte heimische Tipulide, Tipula maxima, trat nur an Quelle H in der Emergenz auf. Zum ersten Mal konnte sie Ende Mai gefangen werden, das letzte Exemplar wurde Anfang Juli erbeutet. Am 10.6.95 legte ein Weibchen dieser Art an Quelle H seine Eier ca. 30 cm unterhalb des Wasseraustritts in die umfangreichen, vom Quellwasser gut durchfeuchteten Fallaubpackungen hinein ab. Diese Beobachtung deckt sich gut mit der Aussage von Priesner (1961), der Laubstreu als vorwiegende Nahrungsquelle der Larven angibt. Die Flugzeit vonT. maxima gibt Noll (1985) mit April bis Juni an. Fast ebenso groß wie T. maxima, aber ohne die charakteristische dunkle Flügelfleckung, ist Tipula fulvipennis. In der Emergenz konnte sie zwischen Ende Juni und Anfang September an beiden Quellen nachgewiesen werden. Ihre Flugzeit reicht von Mai bis Oktober, die Eiablage erfolgt "in feuchte Erde von Laubwäldern, häufig in der Nähe laubbedeckter Quellen" (Noll 1985). Die wesentlich kleinereTipula vittata war nur an Quelle M Anfang Mai in der Emergenz vertreten. Zuchtversuche von Brinkmann (1991) ergaben eine Präimaginalentwicklung von gut einem Jahr, die gezüchteten Larven schlüpften Mitte Mai. Sie entwickeln sich in sehr feuchter Laubstreu an Bächen, in Schlamm oder in sumpfigen Wiesen am Waldrand (Noll 1985). Die in Größe und Flügelzeichnung der vorigen Art recht ähnlicheTipula irrorata kam ebenfalls nur an Quelle M vor. Sie stellte dort 2/3 der Tipuliden-Emergenz. Die Fänge gelangen ausschließlich im Juni. Ihre Flugzeit dauert von Mai bis Juli (Noll 1985). Ihr Reichtum an moosbewachsenem Totholz bzw. Steinen scheint Quelle M als Larvalhabitat fürT. irrorata attraktiv zu machen. Als letzte Tipulide konnte Anfang Oktober an Quelle H ein Männchen der von August bis Oktober (Noll 1985) fliegenden Tipula benesignata nachgewiesen werden. Ihre Larven leben ebenfalls in feuchtem Moos (Theowald 1967).

 

2.11 Trichoceridae


Die den Limoniiden sehr ähnlichen, ca. 4 bis 8 mm großen Wintermücken werden zu den terrestrischen Familien der Nematocera gezählt. Sie gehören zu den wenigen Fluginsekten, die als Imagines auch noch im Winter aktiv sind. Selbst bei nur 4°C kann man sie bei der Paarung beobachten (Sedlag 1986). Sie fliegen von Spätherbst bis zum zeitigen Frühjahr und fallen besonders durch ihr Schwärmen an sonnigen Wintertagen auf. Die Larven entwickeln sich in der Laubstreu, in Komposthaufen und in Exkrementen.

In der Emergenz traten 118 Trichoceriden aus fünf Arten auf. Die beiden häufigsten Arten (Trichocera hiemalis, Metatrichocera cf. forcipula) kamen an beiden Quellen vor. Abgesehen von einem Einzelfang Ende April an Quelle M schlüpften alle Trichoceriden ausschließlich in Herbst und Winter (Abb. 17).

 

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3 Diskussion

 

Die Chironomidae treten in hohen Abundanzen auf, ihr Anteil an der Dipterenemergenz bewegt sich meist zwischen 60 % (Quelle H) und 86 % (Gathmann 1994). Das Spektrum der Diptera reicht von aquatischen Arten (Simuliidae, Pediciidae, Empididae pro parte) über hygropetrische (Dixidae, Thaumaleidae) und liminarische (Limoniidae, Psychodidae) bis hin zu terrestrisch-hygrophilen Arten (Lonchopteridae, Dolichopodidae pro parte). Vor allem unter den aquatischen und hygropetrischen Arten finden sich viele mit starker Bindung an das Krenal.

Im Vergleich mit den Emergenzuntersuchungen an den Ohequellen bei Marburg (Hessen) (Fischer, Schnabel & Wagner 1995) und denen in der Hohen Rhön (Gathmann 1994) war Quelle M sehr produktiv. Insgesamt konnten 7879 Individuen/m² erbeutet werden. An den Ohequellen waren es im Durchschnitt 5731 Individuen/m² (Fischer & Schnabel 1995). Mit 5768 Individuen/m² entsprach Quelle H fast genau diesem Wert. Gathmann fand geringere Abundanzen (2880 Individuen/m²). Auch die Artenzahl (insgesamt 151, davon Diptera 127) lag relativ hoch. An den Quellen der Hohen Rhön waren es 108 Arten (78 Diptera), an den Ohequellen 125 (106 Diptera).

In allen drei Untersuchungen konnten folgende Arten nachgewiesen werden (die fettgedruckten kamen in der Vorderrhön mit > 10 Individuen/m² vor ):

Trichoptera: Agapetus fuscipes, Crunoecia irrorata**, Potamophylax nigricornis*, Plectrocnemia conspersa, Sericostoma personatum*

Plecoptera: Leuctra nigra*, Nemoura cambrica, N. marginata*, Protonemura auberti*

Dixidae: Dixa submaculata*

Dolichopodidae: Dolichopus popularis, D. ungulatus, Hypophyllus obscurellus

Empididae: Clinocera wesmaeli, Chelifera trapezina

Limoniidae: Erioptera lutea, Molophilus bifidus, M. curvatus, M. corniger, M. serpentiger,

Rhypholophus haemorrhoidalis, Scleroprocta sororcula, Eleophila maculata,

Neolimnomyia batava, N. nemoralis, Paradelphomyia fuscula*, P. senilis*,

Dicranomyia fusca*, D. mitis, Limonia nubeculosa, Lipsothrix errans, L. remota

Pediciidae: Dicranota subtilis*, Pedicia rivosa**, P. straminea**, Tricyphona immaculata

Psychodidae: Psychoda gemina, P. grisescens, Ulomyia fuliginosa*

Tipulidae: Tipula fulvipennis, T. maxima

Thaumaleidae: Thaumalea testacea**

** = krenobiont, * = krenophil (nach Fischer 1996)

Diese 42 Arten (28 %) stellten 70 % der Emergenz der Vorderrhönquellen M und H.

Die Quellen M und H zeigen sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede in der Zusammensetzung der Zoozönosen. 76 von 151 Arten kamen an beiden Quellen vor (50 %). Diese Arten stellten an Quelle M 84 %, an Quelle H 92 % der Emergenz der bis auf Artniveau bearbeiteten Taxa. Innerhalb der Diptera fallen die Ähnlichkeitswerte der Familien sehr unterschiedlich aus. Von den abundanzmäßig bedeutenden Familien erreichen die Thaumaleidae mit 71,0 den höchsten Kw-Wert, gefolgt von den Pediciidae (52,9), Dixidae (49,9), Psychodidae (37,5), Dolichopodidae (23,6) und Empididae (23,3). Das Schlußlicht mit dem niedrigsten Kw-Wert bilden die Limoniidae (15,9). Sie weisen demnach das geringste Maß an Ähnlichkeit zwischen den beiden Quellen auf.

Fast identisch waren beide Quellen in den krenobionten Arten. Nur Pedicia straminea kam ausschließlich an Quelle H vor. Jedoch stellten die Krenobionten an Quelle H mit 22,6 % einen höheren Anteil der Emergenz als an Quelle M (10,4 %). Die Benthosaufsammlungen unterstreichen dieses Ergebnis: unter den hololimnischen Arten fanden sich an Quelle H zwei (Bythinella compressa, Crenobia alpina), an Quelle M keine Krenobionten. Als Vertreter der Grundwasserfauna mit starker Bindung an das Krenon (Fischer 1996) kam an Quelle H außerdem Niphargus spec. hinzu.

Quelle M erzielt insgesamt und auch auf Ordnungsniveau durchgehend höhere Diversitätswerte, was sowohl auf die höhere Artenzahl, als auch auf ein höheres Maß an Gleichverteilung zurückzuführen ist. Dies drückt sich im Dominanzstrukturdiagramm (Abb. 50) durch den flacheren Anstieg der Kurve aus. Die häufigste Art stellte an Quelle M 18 %, an Quelle H ganze 29 % der Emergenz. (Es handelt sich an beiden Quellen um die Psychodide Ulomyia fuliginosa.) Die beiden häufigsten Arten (McNaughton Index) machen an Quelle M zusammen nur 27 % aus gegenüber 41 % an Quelle H. Die 50 %-Marke wird an Quelle H schon bei 4, an Quelle M erst bei 8 Arten überschritten. 90 % werden schließlich an Quelle H schon nach 25, an Quelle M erst nach den 39 häufigsten Arten erreicht.

Worin liegen die Ursachen für die Unterschiede in den Zönosen der beiden Quellen?

Kaltstenotherme Arten wie Crenobia alpina und Bythinella compressa finden dagegen optimale Lebensbedingungen. Quelle M erreicht fast während der gesamten Vegetationsperiode höhere Temperaturen, so daß sich dort eine kleine Eintagsfliegenpopulation entwickeln konnte. Die genannten kaltstenothermen Arten fehlen, C. alpina wird durch die wärmebedürftigere Dugesia gonocephala ersetzt. Fallaub ist während der Sommermonate nicht vorhanden, der Anteil an hygropetrischen Bereichen tritt an Quelle M vergleichsweise zugunsten rasch durchströmter bzw. sumpfiger Bereiche zurück. Der hohe Anteil an Totholz und bemoosten Basaltsteinen/-blöcken sorgen für eine vielfältige Strukturierung. Krenobionte Arten sind zahlreich vertreten, jedoch nicht so dominant wie an Quelle H. Auch Arten mit Verbreitungsschwerpunkt im Quellbach bzw. im Rhithral finden gute Entwicklungsmöglichkeiten. Die höheren Abundanzen u.a. der Psychoda-Arten (Psychodidae) spiegeln den helokrenen Teilcharakter der Quelle wider. Das vielfältigere Lebensraumspektrum und die höheren Temperaturen an Quelle M resultieren in einer höheren Diversität und Eveness. An Quelle H herrschen in der Hauptsache Bedingungen vor, die zwar sehr gute Entwicklungsmöglichkeiten für Quellspezialisten bieten, weniger spezialisierte Arten aber in den Hintergrund treten lassen.

Quelle H mit ihrer Zoozönose repräsentiert gut den Typ einer kleinen, kaltstenothermen, perennierenden Rheokrenen der Mittelgebirge. Teilweise zeigt Quelle M Ähnlichkeiten mit diesem Typus. Die beschriebenen Unterschiede dokumentieren jedoch die Vielfalt der naturnahen Ausprägungen von Quellbiotopen einer Region. Der höhere Anteil von Quellbach- und Bacharten an Quelle M und das Fehlen stygobionter und krenobionter Elemente unter den hololimnischen Arten ist nicht auf anthropogene Einflüsse, sondern auf Unterschiede im physikalischen Regime zurückzuführen. Diese widerum sind bedingt durch Faktoren wie Größe und Art des Grundwasserspeichers und -austritts, Geländeneigung, Beschaffenheit der Böden und der umgebenden Vegetation. Diese natürliche Variabilität auch bei Quellen der gleichen Region mit ähnlichem Wasserchemismus muß bei der Erstellung bzw. Anwendung eines Leitbildes grundsätzlich berücksichtigt werden.

 

 

 

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Artenliste

Literaturverzeichnis